Auch in Lisa Böglis Seminaren ist Selbsterfahrung zentral:
Wo sind meine Grenzen? Wo sind meine Schwächen? Kann ich darüber lachen? Für einen liebevollen, zugewandten Humor, der niemals verletzend sein darf, brauche es Empathie,
auch mit sich selbst.
Sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, helfe vermutlich auch, eine weitere unverzichtbare Fähigkeit zu erwerben: Stille
auszuhalten. Momente, in denen scheinbar nichts passiert.
«Der Mann, der damals in seinem Bett in den Aufenthaltsraum geschoben wurde, hätte die Eichhörnchen-Handpuppe nicht
gestreichelt, wenn ich meiner inneren Unruhe und dem Drang, mich wieder um die anderen zu kümmern, nachgegeben hätte», sagt die 29-Jährige.
Neben der intensiven Arbeit an sich selbst gibt es aber auch ganz konkrete Ideen und Werkzeuge, um die Atmosphäre in einem Pflegeheim zu verändern. Die Übertreibung sei
zum Beispiel ein beliebtes Werkzeug, erklärt Marcel Briand, ebenso wie das
Ansprechen von Tabus.
Mit einer Patientin, die immer wieder ihren Todeswunsch äusserte, übte Marcel Briand das Sterben.
Sie
legte sich hin, er korrigierte sie. «Es war für uns beide ein vergnüglicher Nachmittag, der ihr ermöglichte, sich mit ihrem Wunsch auseinanderzusetzen», erinnert er sich.
Neben einer wohlwollenden
Betrachtung der Realität und dem Anerkennen der Themen, die beschäftigen, können auch ganz konkrete Scherzartikel zum Einsatz kommen, etwa ein «Flutschie»: ein
mit Wasser gefüllter weicher Plastikschlauch, der sich beim Hantieren gerne verselbständigt. «Viele stellen sich einen Koffer mit Hilfsmitteln zusammen, die ihnen liegen und mit denen
sie gute Erfahrungen machen», sagt Briand.
Er selbst nutzt – ebenso wie seine Berufskollegin – gerne alte Gegenstände und recherchiert auch die
kollektive Biografie seines Publikums, also etwa: Welche Musik hörte man in den 30er-Jahren in Bern?
Doch kein Tipp und keine Ausrüstung können aus jedem Menschen einen Clown machen. «Es gibt immer wieder Teilnehmende an meinen Kursen, die mit diesem Angebot nichts
anfangen können», sagt Briand.
Es sei aber auch nicht das Ziel, dass sich nach einem Kurs plötzlich das gesamte Heimpersonal clownesk durch den Arbeitsalltag bewege.
«Wichtig ist, dass alle etwas darüber gehört haben und dann auch verstehen, was jene tun, die es wirklich anwenden und nicht aus Unwissen darüber urteilen.» Umgekehrt sei es auch
nicht so, dass man mit den Kursen etwas komplett Neues in den Heimalltag bringe.
«Es
gab nie Pflege ohne Humor», ist der ehemalige Stationsleiter überzeugt.
Dass jemand – ob Bewohner oder Betreuende – überhaupt
keinen Humor hat, scheint beiden Clowns undenkbar. Bei manchen müsse man eben ein bisschen länger danach suchen, sind sie sich einig.
«Manche können zum Beispiel mit Clowns nichts anfangen, weil sie damit schlechte
Kindheitserinnerungen, zum Beispiel im Zirkus, verbinden», sagt Lisa Bögli.
Und sie selbst sei schon als humorlos bezeichnet
worden, weil sie gewisse Witze nicht lustig findet. «Was sicher jeder hat, ist ein Sinn für Heiterkeit.»
Welche Art von Humor funktioniere, hänge nicht davon ab, ob jemand Demenz habe, auch davon sind beide überzeugt. Beide haben beobachtet, oder von Angehörigen erfahren, dass die
Bewohnenden über dieselben Dinge lachten wie früher, als
sie noch keine Demenz hatten.
Ein Muster erkennt Lisa Bögli jedoch: Je aktiver Menschen noch sind, je turbulenter ihr Alltag, umso ausdrucksstärker und lauter arbeite sie. Bei Menschen mit fortgeschrittener
Demenz arbeite sie taktiler,
sinnlicher und oft auch reduzierter.
«Es geht nicht darum, zu zeigen, was ich kann», sagt die Clownin, «sondern darum, was
die Menschen brauchen.»
DAS POTENZIAL DER FREIWILLIGEN
In den Humor-Kursen von Lisa Bögli kommt
den freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Altersheimen ein besonderer Status zu.
«Sie
sind uns Clowns insofern am ähnlichsten, als sie keinen konkreten Auftrag haben», sagt sie.
«Sie
haben jene Zeit für Zwischenmenschliches, die dem Heimpersonal oft fehlt.» Deshalb
sei es so wichtig, dass Freiwillige nicht mit Pflegeaufgaben befrachtet würden.
Lisa Bögli macht ihren Kursteilnehmerinnen aus dem freiwilligen Sektor immer wieder klar, wie wertvoll ihre Zeit genutzt ist, wenn sie bei ihren
Besuchen nichts aktiv tun.
«Man
muss nicht immer etwas tun, etwa das Trinkglas reichen, nur um etwas getan zu haben, sondern kann auf die eigene Fähigkeit vertrauen, einmal nichts zu tun, in der Ruhe
wahrzunehmen, was die Bewohnenden wirklich brauchen.»